Vortragsreihe "Kunst - Forschung - Geschlecht"

 
Noam Gramlich

Diesseits des extraktivistischen Blicks. Fotoarchive gegen den Strich lesen
 
Mittwoch, 24. Mai 2023 | 18h | FLUX 2
Vordere Zollamtsstraße 7, 1030 Wien


Feministisches Spekulieren und kritisches Fabulieren finden dort einen Platz, wo die herkömmliche Geschichtsschreibung voller Lücken ist. Besonders jene, deren Wissen zerstört, verstreut oder ignoriert wurde, haben oft diese Formen von Erzählung gewählt. Im Vortrag wird gefragt, inwiefern koloniale Fotoarchive dazu dienen können, spekulative Geschichten über weiße Herrschaftsverhältnisse sowie antikolonialen Widerstand in Namibia um 1900 zu erzählen. Der Ausgangspunkt ist eine Fotografie aus einem Kolonialarchiv, die der Künstler und Forscher Nashilongweshipwe Mushaandja gegengelesen bzw. gequeert hat. In der Fotografie zeichnet sich eine Geschichte von frühkapitalistischen Rohstoffen, Geschlechterbinarität und dem extraktivistischen Blick ab, jedoch auch von queeren Infrastrukturen. Aus einer weißen Perspektive sich diesem Thema zu nähern, versteht Spekulieren als Praktik, in der Erinnern, Erzählen und Wissen unmittelbar mit Fragen von Situierung und Positionalität verbunden sind.

Noam Gramlich ist wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in im Studiengang Europäische Medienwissenschaft an der Universität Potsdam. Dey promivierte 2023 zum Thema Situierung, Extraktivismus und (De-)Kolonisation am Beispiel der Kupfermine in Tsumeb, Namibia. Akademische und außerakademische Themenschwerpunkte sind Kolonialität von Rohstoffen und Infrastrukturen, Kolonialgeschichte von botanischen Gärten und intersektional-feministische Methoden. Mitherausgabe des Sammelbands Feministisches Spekulieren. Genealogien, Narrationen, Zeitlichkeiten, Berlin (Kadmos) 2020.