Trotz seiner positiven Konnotationen von Lebendigkeit
und Natürlichkeit wird
Grün zunehmend auf seinen metaphorischen Gehalt reduziert und von materiellen, erkenntnistheoretischen
und historischen Bezügen abgetrennt. Als solcher dient es dem fetischistischen Wunsch nach einer Hyperkompensation des vom
Menschen verursachten Systemversagens. Die gute Absicht,
Grün als Metapher für ökologisch nachhaltige Politik zu
vereinnahmen, weicht einer unkritischen Haltung, mit der sich kapitalistische Mechanismen die Metapher aneignen und alles
grüner machen.
Die Verkürzung, die durch die symbolische Übertreibung von
Grün in unserer städtischen
und ländlichen Umgebung entsteht, manifestiert sich in zahlreichen Paradoxien. Grün gestrichene Fahrradwege treffen auf monokulturelle
„Grünflächen“, Hecken und Büsche als „grünem Beton“. Gebrauchsgegenstände werden
grün, um das Künstliche natürlich
erscheinen zu lassen – Mülltonnen, Stadtmöbel, Zäune, Kunstrasen. Auf dem Land werden Wiesen durch nicht-endemische Nadelbäume
ersetzt, die Evergreens der intensiven Forstwirtschaft, während gleichzeitig sogar dort „grüner Tourismus“ gefördert wird,
wo industrielle Sägewerke grün gestrichen sind. Während der grünste Wald nicht der vielfältigste ist, versuchen Methoden der
schnellen Wiederaufforstung oft, die höchste CO2-Absorptions- und Sequestrierungskapazität zu erreichen, wodurch „grüne Wüsten“
auf Kosten der Biodiversität entstehen.
Jens Hauser, Medientheoretiker und Kunstkurator, sammelt
und kultiviert
Grün seit drei Jahrzehnten, und gibt Einsichten in die Jagd nach „Trophäen“.
Programm:
https://ail.angewandte.at/program