urbanize! 2022

Around the Corner: Polyzentrale Stadtstrukturen für die ökosoziale Transformation

Festivalpartnerin
Social Design: Public Energy

Das 13. urbanize! Festival widmet sich von 4–9 OKT 2022 dem ökosozialen Umbau unserer Städte mit Diskussionen, Workshops, Stadtspaziergängen, Kunst, Film und Musik bei freiem Eintritt.

Die dringende Notwendigkeit den CO2-Ausstoß zu senken, gepaart mit der Vision einer lebenswerteren Stadt, gibt planerischen Konzepten wie der »Polyzentralen Stadt« neuen Auftrieb. Die fußläufige, dezentral organisierte »15-Minuten-Stadt« erfährt international Resonanz. Kein Wunder, waren unsere Städte doch die längste Zeit ihrer Geschichte auf das Gehen und damit auf lokale Strukturen und Kreisläufe ausgerichtet.

Erst die Verbreitung von Massenverkehrsmitteln und des motorisierten Individualverkehrs hat die Ära des funktionalistischen Städtebaus, der Suburbanisierung sowie der Konsum- und Freizeitgesellschaft ermöglicht. Doch die autogerechte Stadt erzeugt viele Probleme: Riesige Flächen werden versiegelt, gefährden die Biodiversität, bilden Hitzeinseln und Barrieren bei Starkwetterereignissen. Lärm und Feinstaub nehmen zu, während Nachbarschaftskontakte durch das Fehlen von qualitätsvollem öffentlichen Raum abnehmen. Der eingeschränkte Zugang zu Bildung, Kultur, Erholungsraum und sozialen Einrichtungen in der Peripherie erzeugt soziale Schieflagen. Statt kleinteilige Nahversorgung und lokale Wirtschaftskreisläufe zu stärken, wird der Reichtum der Viertel an Konzerne verschoben, deren Arbeitsplätze oft nicht lokal und meist sozial bedenklich sind.

Die Zeit scheint reif für eine radikale Transformation in der Stadtentwicklung und viele europäische Städte machen sich bereits auf den Weg. Das Leitbild der »Erreichbarkeit« wird in polyzentrischen Ansätzen durch »Nähe« ersetzt; die Nachbarschaften und Quartiere bilden vernetzte Planungseinheiten und fungieren als Treiber der sozialräumlichen Transformation. Fußläufigkeit, aktive Mobilität, Dichte, Diversität im Design und gemischte Nutzungen lauten die neuen Planungsparameter, die Versorgung mit qualitätsvollen öffentlichen Räumen wird zentral. Das ruft auch Immobilien-Entwickler:innen auf den Plan, die mit preislichen Höhenflügen die Gentrifizierung in den lebenswerten Quartieren anheizen.
Was können die komplexen Planungskonzepte und welche internationalen Praxis-Erfahrungen bestehen bereits? Welche Rolle spielt Partizipation? Wie kann Verdrängung verhindert und soziale Durchmischung gewährleistet werden? Was bedeutet der umfassende Rückbau des motorisierten Individualverkehrs für die Stadt? Welche Strukturen werden obsolet, welche neue Nutzungen sind denkbar? Wie gestaltet sich der öffentliche Raum neu? Wie kommen Arbeit, soziale und kulturelle Infrastrukturen in die Quartiere? Wie kann die Transformation gelingen?
 
Mit »Around the Corner: Polyzentrale Stadt-Strukturen für die ökosoziale Transformation« lädt das 13. urbanize! Festival ein, gemeinsam die Gegenwart und Zukunft der Stadt zu entwerfen. Join us!


Festivalpartnerin
Social Design: Public Energy
 
Im April 2022 hat das Social Design ­Studio an der Universität für angewandte Kunst Wien eine Exkursion nach Mexiko-Stadt unternommen, um die Megapolis zu erkunden und zu fragen, welch jeweilige Zukunft diese Stadt in den unterschiedlichen Phasen und Brüchen ihrer Geschichte, in einem sich verändernden Land, in einer sich bewegenden Gesellschaft entworfen und materialisiert hat. Die Suche nach Zukunftsentwürfen kann als Ziel wie als Voraussetzung der Arbeit im Social Design Studio angesehen ­werden: sich inspirieren zu lassen, zu lernen und unsere Arbeit auf Modelle, auf Visionen und utopisches Denken unserer unterschiedlichen Geschichte(n) zu gründen. Wenn wir nicht auf Zukunft verzichten wollen, müssen wir Imaginäres schaffen, müssen Wünsche entwickeln und äußern und dabei auf Träume und Sehnsüchte anderer hören. Die Vorstellung von Zukunft basiert auf sozialem Zusammenhalt, mit anderen Worten: auf Vertrauen, auf Bindungen, auf Solidarität, auf Sorge und auf der Teilhabe an gemeinsamen Interessen und Zielen. Der soziale Zusammenhalt braucht öffentliche Räume, nicht nur, um den anderen zu begegnen, sondern auch, um Respekt zu erfahren und auszuhandeln, um sich darin zu spiegeln, um das Vergnügen unerwarteter Begegnungen zu erleben, um vielfältige Impulse zu synthetisieren, kurzum: das eigene Leben kennen zu lernen.
Die physischen öffentlichen Räume ­zeigen, wohin Menschen gehen, in ­ihrem Verhalten, ihrem Konsum, in ihrer Aufmerksamkeit oder auch Ignoranz. ­Öffentliche Räume materialisieren Gesellschaften, stellen dar, was zwischen den Menschen, zwischen den Gebäuden und zwischen dem Geplanten ­ passiert. All diese Möglichkeiten, diese Realitäten wurden aufgrund der Pandemie-Situation nicht gelebt.
Die Universität als Teil städtischer Öffentlichkeit wurde abgeschottet und verlor ihre informelle Freiheit. Aus einem Studien­programm wurde ein Vorlesungsverzeichnis, Inhalte sollten leicht abrufbar sein, aber konnten nicht ohne ­Weiteres diskutiert und produktiv bestritten werden. Unter diesen Umständen wurden unsere Arbeit und unsere Ziele noch deutlicher. Wir spulen die Geschichte nicht zurück und wir kehren auch nicht zu dem zurück, was vor der Pandemie eine Realität gewesen sein könnte. Die Fragilität unserer Existenz hat uns ­Energie verliehen, die wir in aktuellen und kommenden Projekten – in der Stadt, in der Universität, in Zeiten von Kriegen, in der Stärkung unserer internationalen Netzwerke, in Reisen und in Öffentlichkeit – einsetzen.
Social Design zu machen könnte auch bedeuten, festliche Anlässe zu schaffen, Offenheit und Erfahrungen auszulösen, uns selbst neu zu erfinden und zu prüfen, wohin uns unsere Arbeit und unser Denken bringen könnten.
 
Brigitte Felderer, für das Social Design Studio
 

Poster mit Fotos eines Gebäudes und Menschen im Vordergrund
urbanize! 2022
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