Wir trauern
um Gero Schwanberg (1940-2023)
22. September 2023
Der Bildhauer,
Bauplastiker, Bühnenbildner und 30 Jahre an der Universität für angewandte Kunst Lehrender verfolgte seit den 1970er-Jahren
einen dialogisch ausgerichteten Kunstbegriff, in dem die Grenzen zwischen bildender und angewandter Kunst ineinander verfließen.
Gero Schwanberg verfolgte mit seinem skulpturalen Lebenswerk ein Konzept, in dem weder das einzelne
auratische Kunstwerk noch ein vermeintlich geniales Künstlergenie ins Zentrum gestellt wird. Vielmehr handelte es sich bei
seinem Schaffen um eine bildhauerische Praxis, in der die Grenze zwischen „angewandter“ und „freier“ Kunst fließend ist, wie
Josef Ostermayer, Bundesminister a.D. anlässlich der Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens an den Bildhauer 2015 betonte:
„Gero Schwanberg ist einer jener Künstler und Bildhauer, dem es gelungen ist, unterschiedliche Disziplinen in seinen Arbeiten
zusammen zu bringen.“
Seit den 1970er-Jahren hat Schwanberg sein bildhauerisches Können in den Dienst unterschiedlicher
Wirklichkeitsbereiche gestellt, wie sein Werdegang und Werkverzeichnis verdeutlichen: Darin finden sich Skulpturen in der
Landschaft, performative Inszenierungen in Dialog mit einem Schriftsteller und dem Publikum, Bauplastiken, skulpturale Ausstattungen
für Bühne und Film, die Realisation dreidimensionaler Ausstellungsinszenierungen, die plastische Gestaltung der eigenen Umgebung
und das Vermitteln traditioneller und neuester Bildhauertechniken in seinen Lehrveranstaltungen an der Universität für angewandte
Kunst in Wien (1976-2005). Dabei prägte und förderte er Generationen von Studierenden, wie das Design-Kollektiv EOOS unterstreicht:
„Wir trauern um Gero Schwanberg, er ist immer ein wichtiger Unterstützer unserer Arbeit gewesen. Von ihm haben wir gelernt,
wie man Wissen in Machen umsetzt, was es heißt etwas zu produzieren – Kopf und Hand zu gebrauchen.“
Kennzeichen seiner
künstlerischen wie vermittelnden universitären Arbeit war eine besondere Kenntnis von Materialitäten und Techniken. Kein Material,
das Gero Schwanberg nicht verwendet, keine Technik, die er nicht beherrscht hat. Dabei spannte er den Bogen vom klassischen
Modellieren mit Ton und anschließendem Guss in Bronze, Aluminium oder Blei über das Schnitzen in Holz oder Styropor bis zu
vielfältigen Kunststofftechniken der Gegenwart wie Tiefziehen oder Schaumdruckformen. Wie essentiell die Lehre an der Universität
für angewandte Kunst für Schwanberg war, betonte der Leiter des Forschungsinstituts „Archiv für Bau.Kunst.Geschichte“ der
Universität Innsbruck, Christoph Hölz in seiner Laudatio anlässlich der Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens an Schwanberg
2015: „Je länger wir redeten und ich zuhörte, desto stärker kehrte er seine Arbeit als Lehrer an der „Angewandten“ in den
Vordergrund. Er betont die herzliche Beziehung zu seinen Studierenden während der dreißigjährigen Lehrtätigkeit, die er im
Rückblick sogar zum Zentrum seiner Arbeit erklärt.“
Sein eigenes skulpturales Schaffen beschränkte Schwanberg keineswegs
auf die Kunstszene. Seine Arbeiten findet man vor allem in alltäglichen Kontexten: am Bau, im öffentlichen Raum, in Film und
Fernsehen, in Restaurants und auf Fassaden außerhalb des „White Cube“. Ebenso in der Landschaft, überwuchert von Pflanzen,
eingegraben unter der Erde, begangen von Ziegen oder Hunden.
Herausragendes Merkmal seiner Arbeit und Persönlichkeit
war eine auf sein Gegenüber ausgerichtete Arbeitsweise und die Kollaboration mit anderen Kunstschaffenden. So hat er den Dialog
in Form von Kooperationen und plastischen Umsetzungen von Ideen gepflegt wie kein Zweiter: Mit Architekten wie Hausrucker
& Co, Hans Hollein, Hermann Czech oder Rob Krier. Mit Regisseuren wie Jean-Pierre Ponnelle oder Götz Friedrich. Mit Ausstellungsmacher*innen
wie Boris Podrecca oder Gae Aulenti. Besonders fruchtbar war die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dem Architekten Hans Hollein,
wie MAK Generaldirektorin und ehemalige Studentin von Gero Schwanberg Lilli Hollein unterstreicht: „Er war ein künstlerisches
Gegenüber meines Vaters bei so eindrucksvollen Projekten wie dem Verkehrsbüro am Opernring in Wien, bei der Verwandlung des
Künstlerhauses in ein türkisches Zelt im Rahmen der Die Türken vor Wien 1683-Ausstellung und dann bei Traum und
Wirklichkeit 1985, wo ein Turm des Karl-Marx-Hofes und eine riesige Klimt Figur das Künstlerhaus verwandelte. Auch das
Tabakblatt am Portal der Trafik neben dem Haas Haus ist ein Werk von Gero Schwanberg. Er war ein Freund und er war der Mann,
der die Totenmaske seines Freundes Hans Hollein abgenommen hat.“
Neben Architekt*innen hat Gero Schwanberg auch mit zahlreichen
Künstler*innen wie Loys Egg und Klaus Pinter oder auch Schriftsteller*innen wie Ernst Jandl oder Reinhard P. Gruber einen
inspirierenden künstlerischen Austausch gepflegt. Dies macht gerade die Kooperation mit Medienkünstlerin VALIE EXPORT deutlich,
die auch um Gero Schwanberg trauert: „Es schmerzt mich, einen so wertvollen, kreativen Menschen zu verlieren, mit dem ich
künstlerisch viel und konstruktiv zusammengearbeitet habe. Angefangen vom Geburtenbett bei der Biennale in Venedig 1980 bis
zur Installation Vivre. Un tableau vivant 2010. Gero Schwanberg war ein dialogisch ausgerichteter Künstlerkollege,
der sein großes Wissen nicht nur für sich behalten hat, sondern mit anderen Kunstschaffenden geteilt und diese bei künstlerischen
Umsetzungen unterstützt hat. Zudem war er ein so sympathischer und angenehmer Mensch.“