Konstanze Stoiber
There Have
to be Bells
Konstanze Stoiber ist PhD Studentin an der Angewandten, Artistic Research
Die Anfangssequenz von Ingmar Bergmans Film "Fanny und Alexander" von 1982 zeigt den im Spiel vertieften jungen Protagonisten
Alexander. In der von Kerzenschein beleuchteten Szene verschiebt er, einer Inszenierung gleich, behutsam Figuren in seinem
Spielzeugtheater und schafft unterschiedliche Perspektiven und Bezüge. Das Skript zu diesem Film, aufgelegt zum Durchblättern,
findet sich in Konstanze Stoibers Ausstellung There Have To Be Bells und verweist damit auf eine ähnliche räumliche Situation,
die die Künstlerin mit ihrer Präsentation in der Domgasse 6 erzeugt. In dem historischen, von barocker Architektur bestimmten
Raum hat sie sorgfältig aktuelle Arbeiten sowie Leihgaben aus dem Wiener Stephansdom wie Bühnenversatzstücke platziert. In
ihrer Anordnung und Bezugnahme zueinander verschränken sie Überlegungen zu christlich konnotierten Themen, die im zeitlichen
und gesellschaftlichen Wandel grundlegende Veränderungen erfahren haben. Wie auch in "Fanny und Alexander" begegnen wir anachronistischen
religiösen Bräuchen und kollektiven Gewohnheiten, die Konstanze Stoiber mit der Geschichte der Galerie und dem benachbarten
Wiener Stephansdoms verknüpft.
Das wohl bedeutendste Symbol des Domes,
der 1954 namensgebend für die vom Domprediger Otto Mauer gegründete Galerie St. Stephan war, ist die sogenannte Pummerin,
die Glocke der Kirche. Ursprünglich aus Kanonenkugeln gegossen und nach der Zerstörung des Kirchendachstuhls im Zweiten Weltkrieg
wieder angebracht, steht sie für die Konstruktion einer identitätsstiftenden, kulturellen Erzählung. Gleichzeitig symbolisiert
die Glocke durch ihre permanente Nutzung und der daraus resultierenden Abnutzung einen Verfall, der durch einen Austausch
des Klöppels hinausgezögert werden konnte. Zuletzt im Jahr 2011 ausgewechselt, ist der bis dahin in Verwendung gewesene Klöppel
das zentrale Element der Ausstellung und bildet gemeinsam mit den ausgestellten roten Glasstücken des Singertores von St.
Stephan „Fragmente der Erfahrungen des Erhabenen“, wie es Konstanze Stoiber nennt. Mystische Erfahrungen werden so räumlich
unterstützt – der himmlische Lichteinfall durch farblich intensive Glasfenster oder das Wunder der Bekehrung des heiligen
Paulus, wie es im Singertor zu sehen ist, durch die außerordentliche Dynamik in der Darstellung des mittelalterlichen Reliefs.
Um die religiösen Objekte gruppiert Stoiber eigene Arbeiten. Die beiden Diptychen – Öl auf Leinwand – agieren
als Bühnenbild der Atmosphäre und hinterfragen das Zusammenspiel zwischen Inszenierung, Liturgie und Dramaturgie. Inhaltlich
beziehen sie sich auf die Paulusgeschichte und sind von der Topografie des heiligen Landes und einer erdachten Reise in die
syrische Landschaft geprägt. Von der Künstlerin gesammelte Wüstenblumen aus dem Negev und der judäischen Wüste, die sie in
einer historischen Vitrine ausstellt und die an die Präsentation religiöser Reliquien erinnert, unterstützen ebenfalls diese
Vorstellung.
Konstanze Stoibers Präsentation fokussiert auf eine vom Christentum und ihren Institutionen
geprägten, europäischen Gesellschaft und fragt, wie sich identitätsstiftende und gesellschaftliche Rituale in der Säkularisierung
verändert haben und wie stark historische, religiöse Orte unsere gegenwärtigen Erfahrungen prägen.
Finissage
am Samstag, 27. April, 12:00–16:00 Uhr, mit einer Führung von Konstanze Stoiber um 14:00 Uhr.