Ortsbezogene
KunstSara Ghalandari erkundet mit ihrer Diplomarbeit Circle as Space das Verhältnis zwischen
menschlicher Figur und Raum, sowohl auf einer symbolischen wie konkreten Ebene. Die raumgreifende Installation ist ein Hybrid
zwischen Textilem und Skulptur, gefertigt aus mit Stoff überzogenem Draht, was der Struktur eine grafische und haptische Qualität
zugleich verleiht. In dem Bewusstsein, dass das Textile auch seine Funktion und Geschichte transportiert, bedient sich die
Künstlerin der Materialität und Konstruktion des Reifrocks.
Die einzelnen Objekte
bestehen aus verschieden großen Kreiselementen, die mithilfe von Stoffbändern in Position gehalten werden, und von der Decke
hängen. Auf Augenhöhe installiert, wirken ihre Proportionen vertraut, menschlich, individuell. Gleichzeitig verbinden sie
sich zu einem Geflecht und bilden ein Kollektiv, das uns zur Interaktion einlädt. Die Figuren veranschaulichen aber auch die
ambivalente Funktion des Reifrocks für seine Trägerinnen. Er gestand dem weiblichen Körper zwar mehr Raum zu, schränkte dessen
Bewegungsfreiheit aber gleichzeitig stark ein.
Das Verhältnis von Körper und Raum, von menschlicher Figur und geometrischer
Formen gilt seit der Antike als Parameter für harmonische Proportionen.
Mit der Abstrakten Kunst erfuhr dieses Verhältnis
eine völlig neue Lesart. Mit ihrer Installation schreibt sich Ghalandari in das Referenzsystem dieser langen Geschichte ein,
entzieht sich durch ihre formale und materielle Reduktion aber jeder eindeutigen Lesart oder Idealisierung. Im Gegenteil,
sie betont die Individualität der Körper im Verhältnis zueinander und zur Gemeinschaft.
Dem gegenüber steht der
Kreis als spirituelle, mystische Form – über alle Kulturen und Zeiten hinweg – als Symbol der Einheit und des Schutzes und
als Raum für rituelle Handlungen. In Anlehnung daran versteht die Künstlerin auch ihre prozesshafte Annäherung an die Arbeit
selbst. Monatelang hat Ghalandari eigene Rituale entwickelt, mit Materialien experimentiert, Prozesse wiederholt, um die gewünschte
Textur und Form zu finden. Dabei spielte die Nachhaltigkeit der Materialien und deren organischer Ursprung, etwa der Farben,
eine übergeordnete Rolle.
Auf subtile Weise verwebt die Künstlerin all diese Kontexte und Bedeutungsebenen des Kreismotivs
und seiner Materialisierung zu einer vielschichtigen Installation, die skulpturalen Körper, Raum und Architektur verbindet.
Sara
Ghalandari hat Ortsbezogene Kunst studiert und erhält für ihre Diplomarbeit den
Vanessa Preger-McGillivray-Preis
2022 der Universität für angewandte Kunst und der
Stadt Wien.
Sara
Ghalandari, geb. 1987 in Teheran, lebt und arbeitet in Wien, ist eine iranisch-österreichische Künstlerin. Sie hat
Textilkunst an der Tehran Art University studiert (BA) und Ortsbezogene Kunst (Diplom) an der Universität für angewandte Kunst
in Wien.
Sara Ghalandari
Circle as Space, 2022
Installation;
gefärbter Stoff, Draht
Diplomjury: Henning Bohl, Judith Eisler, Paul Petritsch,
Gabriele
Rothemann (Vorsitz), Hans Schabus,
Jan Svenungson
Text: Georgia Holz
Grafik:
Heribert Friedl
Fotos: Jorit Aust, Sara Ghalandari
Universität für Angewandte Kunst Wien
Abteilung
Ortsbezogene Kunst
Paulusplatz 5
A -1030 Wien
+43 1 71133 2431
Leitung: Paul Petritsch
Team:
Heribert Friedl, Georgia Holz, Johanna Tinzl
Administration: Maria Stepanek
Fotos:
Sara
Ghalandari, Jorit Aust