Am 18. Mai 2018 feierte die Angewandte ihr 150-jähriges Bestehen. Im Rahmen
der Feierlichkeiten im neuen Erweiterungsgebäude wurde Rektor Gerald Bast das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um
die Republik Österreich von Bundespräsident Alexander Van der Bellen verliehen. Bundesminister Heinz Faßmann und Kulturstadtrat
Andreas Mailath-Pokorny gratulierten mit Grussbotschaften, die Philosphin Martha Nussbaum der University of Chicago unterstrich
in ihrem Video-Interview die bedeutsame Rolle der Kreativität für Gesellschaften, Architektin Neri Oxman vom MIT präsentierte
aktuelle technologische Entwicklungen an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft, Ingenieurwissenschaften und Design.
Festrede Rektor Dr. Gerald Bast, 18. Mai 2018 (Auch als Download verfügbar): Vor 150 Jahren wurde die Angewandte gegründet. Das Leitmotiv der Jubiläumsfeierlichkeiten ist eine Referenz an die Geschichte
der Angewandten: Ästhetik der Veränderung.
- Die Entwicklung der Bauhaus Idee,
- die Gründung der Wiener
Sezession,
- die Wiener Werkstätte,
- das europaweit erste Medienkunst-Studium,
- Transmedialität und Transdisziplinarität
im Kunststudium,
- die systematische Verbindung von Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft
- das Angewandte Innovation
Laboratory,
- PEEK, das nationale Programm zur Förderung künstlerischer Forschung beim FWF,
- angewandte Kunst,
definiert als ästhetische Praxis mit gesellschaftlicher Wirkungskraft –
Das alles ist untrennbar verbunden
mit der Angewandten.
150 + 30 hieß ein Teil unserer Jubiläumsausstellung. Wir konnten Impressionen davon
soeben im Video sehen.
Wie so oft in unserer Geschichte, haben wir den Blick auf die Tradition der Angewandten als Grundlage
und Aufforderung zur Beschäftigung mit der Zukunft verstanden.
Wir wenden Zukunft an! lautet das Motto
der Universität für angewandte Kunst Wien. Und dieses Motto wird gelebt.
Mit Begeisterung, Selbstbewusstsein, kritischem
Geist und Solidarität.
Dafür danke ich hier und heute allen Angehörigen der Angewandten, den aktiven und den schon emeritierten
oder pensionierten.
Den Studierenden, den Absolventinnen und Absolventen, dem künstlerischen und wissenschaftlichen Lehrpersonal,
den Bediensteten in den Werkstätten, in der Bibliothek, der Kunstsammlung und nicht zuletzt den Bediensteten aus den Bereichen
Service, Planung und Verwaltung, die dafür sorgen, dass die Infrastruktur dieser Universität funktioniert.
Es ist die
Verbindung von Kopf und Hand, das alte Bauhaus Motto, - und dazu kommt noch das Herz.
Das macht die Angewandte bis heute
aus.
In den nächsten 30 Jahren wird sich die Welt stärker verändern, als in den letzten 150 Jahren.
Wir
leben in einer Welt, die gekennzeichnet ist von Veränderung, Ungewissheit und Mehrdeutigkeit. Liquid Society nannte der Philosoph
Zygmunt Baumann das. Aber an unseren Bildungsinstitutionen, wo die Menschen vorbereitet werden sollen auf das Leben, in dieser
Liquid Society, da herrscht weitgehend eine Kultur der Eindeutigkeit und Messbarkeit: Ja oder nein. Wahr oder falsch. Richtig
oder unrichtig. Auch in der Politik geht es um möglichst eindeutige und einfache Antworten. Gut oder böse, Leistungsträger
oder Sozialschmarotzer, Willkommenskultur oder Grenzen dicht.
Aber in einer Welt von nie dagewesener Komplexität führen
einfache Antworten zwangsläufig zum Aufbau von Scheinrealitäten und in der Folge oft genug zu Enttäuschung und Aggression.
Abwägen, Relativieren, Differenzieren, Hinterfragen, Verbindungen herstellen zwischen unterschiedlichen Wissens- und Handlungsfeldern.
– Wo hat das seinen organisierten Platz in unserem Bildungssystem?
In uniformierten Bildungsstandards, multiple-choice-Test-Ergebnissen,
ECTS-Punkten und Citation Indices ist das nicht abbildbar. Und mit mono-disziplinären Ansätzen in Lehre und Forschung lassen
sich die großen komplexen Herausforderungen unserer Zeit weder verstehen noch bewältigen.
Die bereits angelaufene
technologische Revolution wird unsere Art zu arbeiten und zu leben massiv beeinflussen.
Innerhalb einer Generation werden
bis zu 50% der jetzt bekannten Arbeitsplätze wegbrechen.
Wir werden neu definieren müssen, was unter menschlicher Arbeit
zu verstehen ist.
Künstliche Intelligenz und synthetische Biologie stellen die Rolle des Menschen im Universum und dessen
bestimmenden Einfluss auf den Gang der Zivilisation in Frage – eine fundamentale Herausforderung für Politik, Philosophie
und Kultur.
Bildung wird wichtiger denn je. Doch auch Bildung wird sich dramatisch verändern müssen: Es geht um mehr
Bildung für mehr Menschen, aber mit anderen Bildungszielen und anderen Bildungsinhalten. Holistic approach nennt das die EU.
- Der Umgang mit komplexen Problemen
- kritisches Denken und
- Kreativität.
Laut Weltwirtschaftsforum
und OECD sind
das die drei wichtigsten Kompetenzen für das Leben im Digitalen Zeitalter.
Den „Race against the Machine“, so der Titel eines Buches über das Digitale Zeitalter, den Race against the Machine kann
der Mensch nur dort gewinnen, wo er besser ist, als die neuen Maschinen. – Creative Skills:
- der Umgang mit Mehrdeutigkeit
und Ungewissheit
- der Einsatz von Imagination, Assoziation und Intuition
- Hinterfragen bestehender Denk- und
Handlungsmuster
- Perspektiven wechseln
- unkonventionelle Zusammenhänge herstellen
Creative Skills,
also genau jene Kompetenzen, die in der Auseinandersetzung mit Kunst die Hauptrolle spielen, werden zur zentralen Kulturtechnik
für das Leben und Überleben im Digitalen Zeitalter.
Das sei den MINT-Lobbyisten in Wirtschaft und Politik erwidert, die
behaupten, dass die Verteilung von Tablets an alle SchülerInnen, flächendeckender Informatikunterricht in den Schulen und
die Ausrichtung der Universitätsfinanzierung an MINT – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – die
Schlüssel für das Überleben im Digitalen Zeitalter wären.
Wissen ist Macht, hieß es einst.
Kreativität ist Macht,
heißt es im Digitalen Zeitalter.
Die Macht liegt in der Fähigkeit zur Interpretation und kreativen Verknüpfung von Information.
Die kreativen Köpfe von der Wall Street, von Google, Apple, Cambridge Analytica und Facebook wissen, nutzen und forcieren
das.
- Umgang mit komplexen Problemen
- kritisches Denken
- Kreativität.
Wäre es nicht auch
für die öffentlichen Bildungsinstitutionen an der Zeit, diese 3 wichtigsten Kompetenzen zu den zentralen Bildungszielen zu
machen? Bevor andere und deren Interessen die Macht übernehmen. – Auch in der Bildung.
„If ever there was
a need to stimulate creative imagination and initiative on the part of individuals, communities and whole societies – the
time is
now. The notion of creativity can no longer be restricted to the arts. It must be applied across the full spectrum
of human problem-solving.”Sagt die UNESCO.
Und die Angewandte will wieder einmal, wie so oft in ihrer Geschichte,
eine Vorreiterin dafür sein, dass dieser Anspruch Wirklichkeit wird.
Das Programm umfasste: URAUFFÜHRUNGJohannes Kretz: „Sound Call“– Fanfare für die Angewandte
BEGRÜSSUNG
Dr. Gerald BastRektor, Universität für angewandte Kunst Wien
VIDEOEINSPIELUNG
Martha C. NussbaumPhilosophin, University of Chicago
GESPRÄCHClarissa
Stadler im Gespräch mit dem Vorsitzenden des
Universitätsrates
Dipl.-Ing. Thomas Jakoubek und
der
Senatsvorsitzenden
ao. Univ.-Prof. Dr. Ruth Mateus-BerrLECTURE„Material
Ecology“ – Neri OxmanArchitektin, Designerin, Erfinderin, Professorin, Media Arts
and Sciences, MIT Media
Lab, Cambridge
GRUSSBOTSCHAFTENDI Hans-Peter WeissBIG, Geschäftsführer
Bundesimmobiliengesellschaft
Dr. Andreas Mailath-PokornyStadtrat für Kultur, Wissenschaft und
Sport
Univ.-Prof. Dr. Heinz FaßmannBundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung
Univ.-Prof.
Dr. Alexander van der BellenBundespräsident
MODERATIONClarissa StadlerJournalistin und Autorin
Credits:
Komponist der FanfareJohannes KretzLeiter des Instituts für Komposition, Elektroakustik
und TonmeisterInnen - Ausbildung der Universität für
Musik
und darstellende Kunst Wien
BlechbläserInnenensembleUniversität für Musik und darstellende
KunstMartin Schusser, Trompete
Christina Eberl, Trompete
Oliver Molner, Horn
Matthias Reindl,
Posaune
Gabriel Bramböck, Tuba
Leitung: Leonhard Paul, Joseph Haydn-Institut für
Kammermusik, Alte Musik und
Neue Musik
mdw.ac.at
VideoeinspielungChicago VideoOnevideo1pro.com/chicagoPostproduktion: Wolfgang Neipl, Angewandte
Film „150 Jahre Angewandte“Ethan Vincent, Exile
Productions
Konzept + Regie
ethanvincent.comKameraBenjamin Paya