Ausstellung in der Universitätsgalerie der Universität
für angewandte Kunst vom 10.3. – 30.4.2020
Das Kabarett
Fledermaus war ein Ort der Verwandlung und Emanzipation. Nun ist dieser wichtige Ort der Wiener Moderne gewissermaßen doppelt
„wiedererstanden“.
Die Hochphase des Kabarett Fledermaus erstreckte sich in etwa von 1907
bis 1909. Der bis heute legendäre Ort war aufwendig von den Protagonist*innen der Wiener Werkstätte konzipiert und ausgestaltet
worden und löste durch sein Programm, das multimediale Kunstproduktion, Diskurs und soziale Interaktion auf neue Weise vereinte,
einen Rausch für alle Sinne aus. Die Ästhetik der Wiener Werkstätte, die besonders durch den Industriellen, Mäzen und Stilexperten
Fritz Waerndorfer mitangeleitet und finanziert wurde, fungierte dabei als eine wichtige Form emanzipatorischer Selbstbehauptung
im Kampf um kulturelle Anerkennung einer jüngeren Generation des jüdischen Bürgertums, die angesichts von Ressentiments und
Antisemitismus nicht selbstverständlich war. Fritz Waerndorfer wollte mit der Finanzierung des Theaters seine Rolle als Produzent
modernistischer Kultur festigen. Abgesehen von Waerndorfer gab es keine externen Auftraggeber. Dies ermöglichte einen künstlerischen
Freiraum, der sich nicht nur in der architektonischen Gestaltung, sondern auch im lebendigen und progressiven Programm des
Kabarett Fledermaus spiegelte. Dies lässt sich heute nur mehr durch dokumentarisches Material nachvollziehen, da das Gebäude
1945 völlig zerstört wurde.
Bar du Bois ist eine Wiener Künstler*innengruppe, die in unterschiedlichen Besetzungen
seit 2013 besteht. Bar du Bois ist buchstäblich aber auch eine Bar: Eine Bar auf Wanderschaft. Ihre Möbel werden von Künstler*innen
gebaut und sie wird von Künstler*innen betrieben.
Die künstlerische Praxis von Bar du Bois verknüpft zahlreiche Agenden,
wie die Arbeit im Kollektiv, die Infragestellung von Hierarchien im Kunstsystem, die Befragung des Ausstellungsraumes als
Ort der Repräsentation, der Einsatz einer Travestie von Stilen und Formensprachen, die zum jeweiligen Ausstellungsort in Bezug
gesetzt werden. Die Arbeit der Gruppe ist im Kontrast zur wiedererkennbaren künstlerischen Autorschaft etabliert und beinhaltet
eine Auseinandersetzung mit der Warenfixiertheit des Kunstmarktes und der Geschichte des White Cube. Statt an solch etablierte
Standards glaubt Bar du Bois (deutsch: Bar aus Holz) an das komponierte Durcheinander des künstlerischen Kollektivs. Sie zelebrieren
das Patchwork und den Rausch, der die Ideen belebt und die sozialen Monaden zueinander bringt.
Durch die Etablierung
eines eigenen Netzwerkes in Form eines temporären Offspace mit Bar suchen sie nach aktuellen Möglichkeiten für konstruktive
Gegenwelten und kollaborative Strategien im Kunstfeld. Der jeweilige Ausstellungsraum wird in seiner Gesamtheit künstlerisch
verhandelt und kommentiert und durch Trompe-l'œil-Techniken transformiert.
In Zusammenarbeit mit Studierenden der Abteilung
Skulptur und Raum (Leitung: Hans Schabus) wurden im Rahmen einer Lehrveranstaltung von Eva Engelbert unterschiedliche Aspekte
des historischen Kabarett Fledermaus einbezogen, künstlerische Strategien der De-/Rekonstruktion bzw. der Aktualisierung von
Geschichte untersucht und Fragen nach Möglichkeiten eines konstruktiven Eskapismus gestellt.
Eingeladen von Kunstsammlung
und Archiv zeigt dieses Kollektiv in der Universitätsgalerie im Heiligenkreuzer Hof die Ausstellung „unter flaschen. Die Fledermaus
in der Bar du Bois.“ Bar du Bois bezieht sich dabei auf das Kabarett Fledermaus als Ort, der für emanzipatorische ebenso wie
eskapistische Tendenzen stand. Einerseits in seiner Rolle im Kampf um künstlerische Selbstermächtigung, andererseits durch
sein performatives Programm, das neben experimentellen Tanzaufführungen der Schwestern Wiesenthal auch absurde Grotesken von
Peter Altenberg ermöglichte.
Besonders um die Bar des Kabaretts ranken sich schillernde Berichte von Zeitgenoss*innen,
unter anderem wurde sie als „bunte Gräuelgrotte“ bezeichnet, die mit zahlreichen „satirischen Anspielungen“ ausgestattet war.
Als „geniale Einleitung“ bzw. als „Dekorprolog“ bezeichnete Berta Zuckerkandl den Barraum des Kabaretts, dessen Wände durch
ein Mosaik aus tausenden Fliesen gestaltet wurde und dessen lebhaftes Farbenspektakel geradezu psychedelisch wirkte.
Dieses
ungewöhnliche Raumexperiment hat die Abteilung Kunstsammlung und Archiv 2019 nach dem einzigen noch existierenden Schwarz-Weiß-Foto
in Form einer stilistischen Adaption des keramischen Dekors in Kooperation mit Expert*innen und Künstler*innen rekonstruiert.
Somit ist es nun möglich der künstlerischen Vision dieses ungewöhnlichen Etablissements nachzuspüren. Die Rekonstruktion nach
Entwürfen von Josef Hoffmann, Bertold Löffler und Michael Powolny ist aktuell in der Ausstellung „Into the Night. Die Avantgarde
im Nachtcafé“ im Belvedere Wien bis 1. Juni 2020 zu sehen.
Seit 2003 verfügt die Kunstsammlung über
ein Maßstabsmodell des Kabarett Fledermaus, das als begehrtes Ausstellungsmodell durch die Welt reist. Als wichtiges Zeugnis
der Wiener Moderne ist es nun ergänzt durch eine begehbare „Innenwelt“.
Beteiligte Künstler*innen:Chiara
Bals, Diana Barbosa Gil, Katrine Bobek, Eva Engelbert, Daniel Fonatti, Johannes Frauenschuh, Andreas Harrer, Anna Hostek,
Anastasia Jermolaewa, Gea Kalkhof, Selma Klima, Leena Lübbe, Felizitas Moroder, Ann Muller, Florian Pfaffenberger, Raphael
Pohl, Carolina Rotter, Lisa Sifkovits, Julia Steinbach, Stefan Thater, Julian Turner, Maria VMier, Astrid Wagner, Johanna
Odersky, Bartholomaeus Wächter, Laura Welker
Eröffnung der Ausstellung: Dienstag, 10.3.2020 um 18 Uhr
Ausstellungsdauer:
10.3. - 30.4.2020Ort: Universitätsgalerie im Heiligenkreuzer Hof, Heiligenkreuzer Hof Stiege 8, 1.Stock, Schönlaterngasse
5, 1010 Wien
Fotos zum Download stehen zur Verfügung:
www.dieangewandte.at/presse