Friedl Dicker-Brandeis

Im Rahmen der Vienna Art Week

Das künstlerische Werk von Friedl Dicker-Brandeis ist vielschichtig und multimedial. Es reicht von Grafiken, Malereien, Spielzeugen, Bühnenbildern und -kostümen über architektonische Entwürfe, modulare und wandelbare Möbel bis zu Textilien, Taschen, Bucheinbänden und politischen Fotocollagen. Als Kunstvermittlerin und -pädagogin war sie auch noch nach ihrer Deportation ins KZ Theresienstadt im Jahr 1942 tätig. 1944 wurde sie in Auschwitz ermordet.
Während ihrer kurzen Karriere arbeitete Dicker fortlaufend in unterschiedlichen Kollaborationen und Arbeitsverhältnissen. Ihr komplexes Werk macht sie zu einer herausragenden Künstlerin der europäischen Moderne. Dass sie in der Kunstgeschichte dennoch kaum sichtbar wird, hat vielfältige Ursachen, darunter geschlechtsspezifisch, politisch und antisemitisch bedingte Formen der Marginalisierung. Lange Zeit wurde Dicker primär als Partnerin des Architekten Franz Singer wahrgenommen. Ihre Verfolgung als Sozialistin und Jüdin ab den 1930er Jahren brachte mit sich, dass zentrale Teile ihres Werks zerstört wurden oder verloren gingen. Die Auseinandersetzung mit ihrem Gesamtwerk ist auch heute längst nicht abgeschlossen.
 
Die Tendenz der Kunstgeschichte, den Kanon zum 20. Jahrhundert entlang der Trennung von Medien und einer vermeintlichen Dichotomie von bildender und angewandter Kunst zu etablieren, hat die Einordnung und Interpretation von Dickers interdisziplinärem Œuvre sicherlich erschwert. Das Interesse an der Überschreitung etablierter Kategorien wird bereits im Frühwerk der Künstlerin deutlich. Mit der Benennung ihrer ersten Firma als Werkstätten Bildender Kunst GmbH formulierten Dicker und Singer ein avantgardistisches Verständnis von bildender Kunst als materieller Arbeit am gesellschaftlichen Ganzen. Die Ausstellung greift diese Beobachtung konzeptuell auf. Entlang von Arbeiten aus Kunstsammlung und Archiv rückt sie Dickers gattungs- und medienübergreifende Praxis und deren materielle, formale und thematische Vielschichtigkeit ins Zentrum. Die Schau adressiert Arbeitsweisen und deren politische und historische Kontexte, aber auch die unterschiedlichen intellektuellen und künstlerischen Milieus, mit denen Dicker verbunden war. Sie zeichnet ihre vielseitige Bildung an Institutionen wie der Wiener Graphischen Versuchs- und Lehranstalt, der Wiener Kunstgewerbeschule und dem Weimarer Bauhaus nach, rekonstruiert ihre über das Kunstfeld hinausreichenden persönlichen Netzwerke und fragt nach ihrer Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Entwicklungen in Kunst und Theorie. Friedl Dicker-Brandeis wird so als Künstlerin gezeigt, die trotz ihrer oft prekären Lebens- und Produktionsbedingungen vielseitige, ungewöhnliche und politisch widerständige Gestaltungen für unterschiedliche Gemeinschaften und Kontexte entwickelte.
 
Die Ausstellung beleuchtet damit nicht zuletzt die in Österreich einzigartige öffentliche Sammlung der Universität für angewandte Kunst Wien, die Arbeiten aus allen wichtigen Werkphasen der Künstlerin umfasst. Sie ist eng mit dem Engagement Oswald Oberhubers verbunden. Als Künstler, Ausstellungsmacher und später als Rektor der Hochschule für angewandte Kunst setzte er sich für die Re-Etablierung von Avantgarde-Künstler:innen und vom nationalsozialistischen Regime ermordeten, vertriebenen oder auf andere Weise marginalisierten Figuren der österreichischen Kulturlandschaft ein. Die Arbeiten von Friedl Dicker-Brandeis zeigte er erstmals 1976 in der Schau Österreichs Avantgarde 1900–1938. Ein unbekannter Aspekt in der Galerie nächst St Stephan sowie in der Ausstellung Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich. Zur Kulturpolitik des Nationalsozialismus, 1985 an der Hochschule für angewandte Kunst Wien. Ein Engagement, das durch die Ausstellung 2 x Bauhaus in Wien. Franz Singer, Friedl Dicker, von Georg Schrom und Stefanie Trauttmansdorff 1988/89 an der Angewandten fortgesetzt wurde.
 
Die Ausstellung Friedl Dicker-Brandeis. Werkstätten bildender Kunst präsentiert erste Ergebnisse eines zweijährigen Forschungsprojekts, die in der von Stefanie Kitzberger, Cosima Rainer und Linda Schädler herausgegebenen Publikation Friedl Dicker-Brandeis. Werke aus der Sammlung der Universität für angewandte Kunst Wien vertieft werden. Die Publikation erscheint Ende 2022 im De Gruyter Verlag und kann per E-Mail, über den Verlag sowie überall, wo es Bücher gibt, bestellt werden. 
Im Rahmen der Vienna Art Week wird am 22. November 2022 die umfangreiche Werkmonografie präsentiert.  
Im Frühjahr 2023 wird die Ausstellung in adaptierter Form in der Graphischen Sammlung ETH Zürich zu sehen sein.
 
Nächste Führungstermine:
 
Mittwoch 19.10., 2022, 16 Uhr Cosima Rainer
Freitag 4.11., 17 Uhr Robert Müller und Cosima Rainer
Mittwoch 9.11., 17 Uhr Robert Müller und Cosima Rainer
Samstag  12.11., 15.30 Uhr  Robert Müller und Cosima Rainer
Samstag 19.11., 15.30 Uhr Robert Müller
Donnerstag 24.11., 17 Uhr Robert Müller
Donnerstag, 1.12., 17 Uhr Cosima Rainer
Mittwoch, 7.12., 14:30 Uhr (für Mitarbeiter*innen der Angewandten) Stefanie Kitzberger, Cosima Rainer und Robert Müller
Donnerstag, 8.12., 17 Uhr Stefanie Kitzberger
Samstag, 10.12., 14 Uhr Stefanie Kitzberger, Cosima Rainer und Robert Müller


Friedl Dicker-Brandeis: Podiumsdiskussion und Buchpräsentation

22. November 2022, 16:00 - 20:00
Vordere Zollamtsstraße 7, Auditorium, 1030 Wien

Im Rahmen der Vienna Art Week und der Ausstellung Friedl Dicker-Brandeis. Werkstätten bildender Kunst (kuratiert von Cosima Rainer, Robert Müller und Stefanie Kitzberger, Universitätsgalerie Heiligenkreuzerhof) präsentiert Kunstsammlung und Archiv am 22. November 2022 eine mit De Gruyter (edition Angewandte) veröffentlichte zweisprachige Werkmonografie zur Künstlerin Friedl Dicker-Brandeis (1898-1944).

Das Buch dokumentiert erstmals ein seit den 1980er Jahren an der Universität gesammeltes Konvolut an künstlerischen Arbeiten und Dokumenten, in dem sich die disziplinäre und thematische Vielschichtigkeit von Dicker-Brandeis‘ Werk besonders deutlich ablesen lässt.
Die Publikation enthält Essays, die die vielfältigen Bezüge des Werks Friedl Dicker-Brandeis‘ auf soziale, politische und ästhetische Diskurse der Moderne diskutieren, sowie kürzere Texte, Werkkonvolut vertiefend besprechen.

Die Buchpäsentation wird von Autor:innen-Statements und zwei Podiumsdiskussionen begleitet.

Projektleitung: Stefanie Kitzberger, Cosima Rainer
Friedl Dicker-Brandeis. Werke aus der Sammlung der Universität für angewandte Kunst Wien, Berlin: De Gruyter (edition Angewandte), 2022.
Friedl Dicker-Brandeis. Works from the Collection of the University of Applied Arts Vienna, Boston: De Gruyter (edition Angewandte), 2022.
Stefanie Kitzberger, Cosima Rainer, Linda Schädler (Hg./eds.)
mit Texten von Julie M. Johnson, Bernadette Reinhold, Robin Rehm, Daniela Stöppel, Mark Wigley, u.a.

PROGRAMM

16.00-16.05 Uhr: Begrüßung, Gerald Bast, Rektor Universität für angewandte Kunst Wien
16.05-16.10 Uhr: Begrüßung, Linda Schädler, Direktorin Graphische Sammlung ETH Zürich
16.10-16.20 Uhr: Einführung, Cosima Rainer, Direktorin Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte
Kunst Wien
16.20-16.30 Uhr: Vorstellung der Publikation, Stefanie Kitzberger, Universität für angewandte Kunst Wien

Pause (10 min)

Friedl Dicker-Brandeis‘ Modernismus. Künstlerische Strategien, Kontext, Netzwerke
16.40-16.55 Uhr: Daniela Stöppel, LMU München
16.55-17.10 Uhr: Robin Rehm, ETH Zürich
17.10-17.25 Uhr: Hamida Sivac, Universität Wien
17.25-18.10 Uhr: Podiumsdiskussion mit Publikumsfragen, moderiert von Jenni Tischer, Universität für angewandte
Kunst Wien

Pause (10 min)

Conditions and Methods of Production and Reception. Perspectives on Gender, Class und Antisemitism
(in englischer Sprache)

18.20-18.35 Uhr, Julie M. Johnson, The University of Texas, San Antonio
18.35-18.50 Uhr: Bernadette Reinhold, Universität für angewandte Kunst Wien
18.50-19.05 Uhr: Mark Wigley, Columbia University, GSAPP, New York
9.05-19.20 Uhr: Stefanie Kitzberger, Universität für angewandte Kunst Wien
19.20-20.05 Uhr: Podiumsdiskussion mit Publikumsfragen, moderiert von Daniela Hammer-Tugendhat, Universität
für angewandte Kunst Wien

Drinks


Friedl Dicker-Brandeis, Franz Singer, Entwurf für Wohnung Hans Heller, Farbstudie für Fußboden im Vorzimmer um 1927, IN 9394/5 50 x 26,5 cm,

Termine

Ausstellungsdauer
22. September 2022 - 10. Dezember 2022
Universitätsgalerie im Heiligenkreuzerhof, Schönlaterngasse 5, Stiege 8, 1. Stock, 1010 Wien
Ausstellungseröffnung
22. September 2022 - 18:00
Universitätsgalerie im Heiligenkreuzerhof, Schönlaterngasse 5, Stiege 8, 1. Stock, 1010 Wien
Kurator:innenführung: Cosima Rainer und Stefanie Kitzberger
06. Oktober 2022 - 17:00
Universitätsgalerie im Heiligenkreuzerhof, Schönlaterngasse 5, Stiege 8, 1. Stock, 1010 Wien
Kurator:innenführung: Cosima Rainer und Stefanie Kitzberger
13. Oktober 2022 - 17:00
Universitätsgalerie im Heiligenkreuzerhof, Schönlaterngasse 5, Stiege 8, 1. Stock, 1010 Wien
Kurator:innenführung: Cosima Rainer
19. Oktober 2022 - 16:00
Universitätsgalerie im Heiligenkreuzerhof
Kurator:innenführung: Robert Müller und Cosima Rainer
04. November 2022 - 17:00
Universitätsgalerie im Heiligenkreuzerhof
Kurator:innenführung: Robert Müller, Cosima Rainer und Stefanie Kitzberger
09. November 2022 - 17:00
Kurator:innenführung: Robert Müller und Cosima Rainer
12. November 2022 - 15:30
Kuratorführung: Robert Müller
19. November 2022 - 15:30
Buchpräsentation und Podiumsdiskussion
22. November 2022 - 16:00
Vordere Zollamtsstraße 7, Auditorium, 1030 Wien
Kuratorführung: Robert Müller und Stefanie Kitzberger
24. November 2022 - 17:00
Kurator:innenführung: Cosima Rainer und Stefanie Kitzberger
01. Dezember 2022 - 17:00
Kurator:innenführung: Stefanie Kitzberger, Cosima Rainer und Robert Müller
07. Dezember 2022 - 14:30
Kurator:innenführung: Stefanie Kitzberger
08. Dezember 2022 - 17:00
Kurator:innenführung: Stefanie Kitzberger, Cosima Rainer und Robert Müller
10. Dezember 2022 - 14:00