TransArts: Sabine Folie
Rendezvous mit dem Kustos. Displaymodelle
des Selbst und des Museums am Beispiel von Marcel Broodthaers
Marcel Broodthaers hat mit luzider
und zugleich humoristischer Sehschärfe das System Kunst unter die Lupe genommen. Unter dem Deckmantel verschiedener Personae,
wie die des Künstlers, des Museumsdirektors und des Kurators, tritt er auf die Bühne der Kunst und nimmt dort ihre Masken
ab.
Er bewegt sich dabei entlang der Demarkationslinien einer Zeitenwende, in der sich das klassische
Museum des 19. Jahrhunderts und der White Cube sowie das traditionelle Kunstwerk und das Ready-Made sowie die „Idee“ der Konzeptkunst
gegenüberstehen. Dazwischen operiert der um Selbstpromotion bemühte Künstler mit ironischem Hintersinn. Innerhalb dieses Spannungsbogens
fragt Broodthaers nach dem gegenwärtigen Status der Kunst/der KünstlerInnen im Allgemeinen und dem Museum/des Kunstmarktes
im Besonderen. Seine rhetorische Konstruktion des „fiktiven“ Musée dʼArt
Moderne. Département des Aigles kommt ihm dabei
zu Hilfe, genauso wie die Décors, seine Retrospektiven, in denen er in einem „Roman der Gesellschaft“ dem Objekt seine Bedeutung
zurückzuerstatten gedenkt.
So wie es Marcel Broodthaers beim „Kuratieren“ nicht nur darum gegangen ist, seine Retrospektiven
in Szene zu setzen, sondern darum, wie die Dispositive selbst zum Werk werden können resp. dieses mit definieren, wird die
Autorin weitere Beispiele aus ihrer jüngsten und aktuellen Praxis streifen, in der das „Kuratorische“ über das „Kuratieren“
hinaus zur Debatte gestellt wird.
Sabine Folie, geboren in Bozen (1962), lebt und arbeitet in Wien. Sie ist Kunsthistorikerin,
Autorin und freischaffende Kuratorin. Von 2008 bis 2014 war sie Direktorin der Generali Foundation, Wien und von 1998 bis
2008 Chefkuratorin der Kunsthalle Wien. Ausstellungen und Publikationen u.a. zu Rodney Graham (1999), Marcel Broodthaers (2003),
Eva Hesse (2004), Dorothy Iannone/Lee Lozano (2006), Ree Morton (2008, 2015), Ana Torfs (2010), Danica Dakić (2010), Morgan
Fisher (2012), Ulrike Grossarth (2014), Willem Oorebeek (2016). Thematische Ausstellungen u.a.: Eine barocke Party. Momente
des Welttheaters in der zeitgenössischen Kunst (2001); Tableaux Vivants. Lebende Bilder und Attitüden in Fotografie, Film
und Video (2002); Un Coup de Dés. Bild gewordene Schrift. ABC einer nachdenklichen Sprache (2008); Die Moderne als Ruine.
Eine Archäologie der Gegenwart (2009); unExhibit (2011). In Planung: u.a. eine Ausstellung zum Archiv von Valie Export (Lentos,
Linz, 2017, n.b.k., Berlin, 2018) und eine Retrospektive zu Ernst Caramelle (mumok, 2018).