AISTHESIS

Ästhetik – Zur Meßbarkeit einer Sensation

Seitdem der Begriff der Schönheit marginalisiert und devalosiert auftritt und lediglich in
Bereichen der Kosmetik Verwendung finden darf, ist er aus dem Kunstbereich so gut wie
völlig eliminiert. Ein Automobil darf schön sein, ein Mann, eine Frau, ein Pullover, ein
Haus, eine Vase, eine Blume, ja sogar ein Tier – ein Sonnenuntergang und ähnliches mehr.
Die Abdankung der Schönheit (und zwar ausdrücklich im Bereich der Künste) – gefaßt
ungefähr in der Mitte des 18. Jahrhunderts - im Kompendium schön, gut, wahr geht auf eine
prinzipielle Erweiterung zurück, die unter einem anderen Namen ihren Auftritt feierte:
Ästhetik (von altgriechisch aísthēsis „Wahrnehmung“, „Empfindung“) gehörte bis ins 19.
Jahrhundert zwar zur Lehre von der wahrnehmbaren Schönheit, von Gesetzmäßigkeiten und Harmonie
in der Natur und Kunst, zielt aber wörtlich auf einen Sinneseindruck, einen sinnlichen
Reiz. Und nimmt also neben dem Schönen gleichermaßen Häßliches, Angenehmes,
Unangenehmes und etwa Verstörendes auf.
Die Alltagssprache hat aktuell aus ästhetisch bloß ein Synonym für schön, geschmackvoll
oder ansprechend gemacht, mag sein eine Ersatzbezeichnung für die in Verruf geratene
Schönheit. Was nun die Philosophie betrifft, bezeichnet Ästhetik entweder die Theorie der
sinnlichen Wahrnehmung allgemein, und zwar nicht nur die der Kunst, oder eine philosophische
respektive soziologische Theorie von Kunst beziehungsweise Design.
Betrachtet man kurz die Geschichte der Ästhetik, die bereits in der Antike und außerhalb
Europas ihre Verortung findet und Verbreitung fand, entdeckt man Positionen wie etwa jene
Immanuel Kants, der ästhetische Bewertungen nicht allein über rein subjektive Kategorien
wie „schön“ und „häßlich“, die wegen bestimmter Eigenschaften einem Gegenstand eingeräumt
werden, entschieden sehen will sondern über die Art und Weise der Sinnlichkeit oder Sinnhaftigkeit,
Positionen, denen andere gegenüberstehen, die auf Verständlichkeit allein im
Rahmen spezifischer Zeichensysteme setzen, oder Interpretationen, die Ästhetik quasi direkt
simpel auf die Bewertung „schön“ und „häßlich“ beschränken (vor allem im angelsächsischen
Raum) und auf die Frage, nach welchen empirisch zugänglichen Kriterien derartige
Urteile zustande kommen.
Eine finale Bestimmung des Begriffs ist, wie bei all jenen Begriffen, die eine Geschichte
haben, nicht zulässig und nicht abzusehen.
Die Frage, der das Programm
AISTHESIS zur Meßbarkeit einer Sensation
„È bello cio che è bello Schön ist, was schön ist“ - ??
nachzugehen versuchen will, ist logisch und konkret:
Kann man heutzutage der Ästhetik noch auf die Spur kommen und über sie debattieren, ohne
etwa auch kontemporäre neurologische Kenntnisse miteinzubeziehen? Welchem Wandel zeigen
sich die Begriffe Schönheit, Ästhetik und Wahrnehmung unterzogen? Glauben wir an Theorien
um schön oder nicht schön ohne zu bedenken, was eigentlich im menschlichen Gehirn vor sich
geht, sobald ein sinnlicher Reiz zu verarbeiten ist?
Wo und wie wirkt der eigentlich, ist die Kondition, ist das Resultat immer und überall und
dasselbe? Verstehen wir die Gesetzmäßigkeiten der Vorgänge im Gehirn? Was resultiert aus
den Erkenntnissen der Hirnforschung?
Wie frei ist nun ein Mensch tatsächlich mit seinen Entscheidungen, seinem Willen, dem Denken,
dem Urteilen? Wie funktioniert das mit einer Sensation, die wir für
selbstverständlich halten?
Wie zeigt sich aisthesis, gefaßt als Wahrnehmung, interpretiert von KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen
und HirnforscherInnen, mit oder ohne Verweis auf das Motiv „Schönheit“?
Aisthesis ist eine spezielle “Sypmosion-Form”, die sich auf eine Reihe von Gast-lectures
in lockerer Reiehnfolge stützt. Über mehrere Semester oder Jahre sollen mittels Vorträgen
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Thema behandelt, debattiert und festgehalten werden.
Resultat sind - wie es sich gehört - weitere Fragen, die der Vorläufigkeit unserer Welt
entsprechen.

UNIVERSITÄT FÜR ANGEWANDTE KUNST WIEN
ABTEILUNG PHILOSOPHIE
interim. Leitung: ao. Univ.-Prof. Mag. art. Dr. phil. Marion Elias
Mitarbeit:
Irene Gerersdorfer, Robert Maierhofer (GAL), Dr. Renate Brosch
Eine Kooperation der Universität für angewandte Kunst Wien mit der
Bauhaus-Universität Weimar und der Università Ca´Foscari Venezia
Ästhetik – Zur Meßbarkeit einer Sensation
ISBN: 3950432302
Herausgeber: Marion Elias
Verlag: Universität für angewandte Kunst Wien
Sprache: Deutsch
Aisthesis Volume I faßt nun die Vorträge aus den vergangenen Semstern zusammen - quasi als
erster Teil einer- wiederum vorläufigen - Definition, mannigfaltig, ab und an diametral.
Der Rest der “Vorläufigkeit” wird folgen.