AIL-Talk: Karl-Heinz Kohl und Jan Svenungsson
Postkoloniale Konstellationen
der Gegenwartskunst
AIL Talk
1005 Martina Lajczak
Neue Kartografien der Gegenwartskunst schließen die Kunstproduktionen indigener Gegenwartskünstler
zunehmend ein, die bis vor wenigen Jahrzehnten als einförmig und ästhetisch belanglos beschrieben wurden und vor allem zur
Formierung kultureller Differenzen Verwendung fanden.
Im Kunstmarkt werden indigene Künstler
heute zu Höchstpreisen gehandelt und finden weltweit Eingang in zeitgenössische Kunstsammlungen. Insbesondere der Kunst der
Aborigines, der Ureinwohner Australiens, wird seit den 1970er Jahren große Beachtung geschenkt. Einige Arbeiten dieser 40.000
Jahre alten Kunstproduktion gelten heute als die wichtigsten australischen Kunstwerke des 20. Jahrhunderts.
1998
hat der Künstler Jan Svenungsson die Kunst der Aborigines für sich entdeckt, als er zum ersten Mal nach Australien reiste.
Zehn Jahre später kehrte er zurück und schuf mit A Place on Earth (Papunya) eines seiner bislang größten Bilder für die Galerien
des Royal Melbourne Institute of Technology.
Im Zentrum des Gesprächs zwischen Jan Svenungsson und dem Ethnologen Karl-Heinz
Kohl stehen sowohl das Interesse des Künstlers an der Kunst der Aborigines als auch die Verflechtung dieser Kunst mit der
Geschichte des Kolonialismus in Australien sowie Überlegungen im Hinblick auf gegenwärtige Globalisierungsprozesse der Gegenwartskunst,
die indigene Kunst heute zunehmend sichtbar werden lassen.
Karl-Heinz Kohl wird in seinem Gesprächsbeitrag auf die geheim
gehaltenen totemistischen Bedeutungen bestimmter abstrakter Figuren in der traditionellen (bzw. „angewandten“ religiösen)
Kunst der Aborigines eingehen als auch die Probleme erläutern, die sich durch ihre Verwendung im öffentlichen Raum in den
Augen der Traditionalisten ergeben, was dazu geführt hat, das in vielen Museen die traditionelle Kunst der Aborigines nicht
mehr ausgestellt wird. Zudem wird Karl-Heinz Kohl allgemein auf Formen der Aneignung kultureller Überlieferungen außereuropäischer
Völker in der avantgardistischen europäischen Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der globalen Gegenwartskunst eingehen.
Biografie Karl-Heinz Kohl studierte Religions- und Geistesgeschichte, Geschichte und Philosophie, Religionswissenschaft
und Ethnologie an der Universität Erlangen und an der Freien Universität Berlin. 1980 promovierte er in Berlin und habilitierte
sich 1986 an der Freien Universität Berlin im Fach Religionswissenschaften. 1988 wurde er zum Professor für Allgemeine Ethnologie
am Institut für Ethnologie und Afrikastudien der Universität Mainz berufen. Von 1996 bis 2016 war Karl-Heinz Kohl Professor
am Institut für Ethnologie und Direktor des Frobenius-Instituts an der Universität Frankfurt.
Biografie Jan Svenungsson
studierte an der Kungliga Konsthögskolan in Stockholm und am Institut des Hautes Etudes en Arts Plastiques in Paris. Seit
2011 ist er Professor an der Universität für angewandte Kunst, Wien und leitet die Klasse Grafik | Druckgrafik. In seiner
künstlerischen Arbeit verwendet Jan Svenungsson eine Vielzahl von Medien, wie etwa grafische Techniken aber auch Malerei,
Foto, Backstein und Installationen.