Davis O. Nejo - Afrika im Umbruch: Wie die Digitalisierung die Kunst verändert

Medientheorie

Am 15. Jänner wird der Kulturschaffende und Kurator Davis O. Nejo einen Vortrag halten über Afrika im Umbruch: Wie die Digitalisierung die Kunst verändert. Kunstkenner und Trendanalysten weltweit sind sich einig: Afrikanische Kunst ist angesagt wie nie zuvor.
Internationale Messen ersten Ranges, etwa die Art Basel Miami Beach, haben den Puls der Zeit erkannt und legen einen dezidierten Fokus auf die Präsentation zeitgenössischer, afrikanischer Positionen. Aus dem Schatten des kolonialistischen Artefakte-Hypes tritt nun eine Kunst hervor, die nicht Revival ist, sondern kritisch und nach neuen ästhetischen Gesichtspunkten verhandelt werden will.

Der gegenwärtige europäische Blick auf afrikanische Kunst verlangt nach einer Differenzierung  und einer Distanzierung vom Erbe des Kolonialismus. Wurden noch Mitte der 1990er Jahre Künstler wie Rembrandt oder Turner als Beispiele für Malerei auf afrikanischen Hochschulen herangezogen, so hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein Umdenken eingesetzt.

Diese Rückbesinnung auf die eigene Vergangenheit – geprägt von Stammeszugehörigkeit, Genozid, Apartheid, Bürgerkrieg bis hin zu den ersten freien demokratischen Wahlen, Feminismus und Sozialpolitik – manifestiert sich als radikaler Umbruch und rasanter Fortschritt innerhalb der diversen zeitgenössischen Kunstströmungen. Zeitgenössische Kunst bezieht sich in Afrika sowohl auf ältere und lokale wie auf regionale und globale Strömungen.

1998 zeigte Davis O. Nejo in der Ausstellung „Afromedi@rt“ zum ersten Mal in Europa afrikanische Medienkunst, eine Zeit, als in ganz Afrika gerade einmal 500 Websites online waren und der Zugang zu digitalen Medien wegen fehlenden Internetleitungen und hohen Kosten für die Menschen größtenteils unmöglich war. Doch fanden sich Vorreiter der Medienkunst, wie etwa William Kentridge aus Südafrika, Dele Bamgboye und Folake Shoga aus Nigeria.

Vier Jahre später, bei der ersten Teilnahme afrikanischer KünstlerInnen beim „Ars Electronica Festival“ mit dem Titel „unplugged – art as the scene of global conflicts“, war die digitale Entwicklung schon einen großen Schritt weiter. Gängige Kulturbegriffe verorteten afrikanische Kultur zwar immer noch strikt regional nach „Traditionen“ und „Ethnien“. Der urbane Teil Afrikas, der am ehesten digitalisiert war, hatte den Schritt ins neue Medienzeitalter vollzogen. Die Globalisierung verlief ungleichzeitig, gerade in den Metropolen rissen die immensen sozialen Widersprüche zwischen einem traditionellen Afrika und der einbrechenden Moderne auf, prallten aneinander und fanden neue Formen der Koexistenz. Internetcafés fanden sich an allen Ecken und waren stets gut besucht.

Heute ist die afrikanische Bevölkerung bestens vernetzt. Kenia ist ein gutes Beispiel, denn mittlerweile verfügen in Kenia 18 Millionen Menschen über Breitbandanschluss. Noch vor zehn Jahren  war das Internet teuer und langsam. Solange der ostafrikanische Staat nicht durch ein Unterseekabel mit der Welt verbunden war, funktionierte der Zugang zum weltweiten Netz nur über Satelliten – zu Preisen, die für die meisten Kenianer unerschwinglich waren. Inzwischen ist das Land gleich mit fünf Unterseekabeln versorgt. In Nairobis Straßen kann man übers Handy ein Taxi bestellen, in Hunderttausenden von abgelegenen Hütten sorgen die Sonne und die Mobilfunktechnologie für Strom. Nirgendwo in Afrika wurden mehr neue Apps als in Kenia entwickelt. In Anlehnung an den Ausdruck Silicon Valley gaben Fachleute dem Land den Beinamen „Silicon Savannah“. Was in Jahrzehnten von der Entwicklungshilfe nicht ausgerichtet werden konnte, scheint nun die Informationstechnologie in wenigen Jahren zu schaffen: Afrika wird von der Digitalisierung in die Moderne katapultiert.

Heute gibt es Landwirte, die mithilfe von mobilen Wetterdiensten bessere Ernten einfahren, und Familien, die per SMS Überweisungen tätigen können. Kaum ein Thema weckt so viel Hoffnung unter Entwicklungshelfern, Ökonomen und Politikern wie das sogenannte Leapfrogging. Dahinter steckt die Überzeugung, dass ärmere Länder dank neuer Technologien die Phase der Industrialisierung auslassen und direkt in der digitalen Moderne landen – und so den ökonomischen Rückstand zum Rest der Welt rasch aufholen können.

Es gibt aber auch eine Kehrseite der Digitalisierung: Präsidenten haben darin eine neue Waffe entdeckt. Ist das Volk aufmüpfig, wird es kurzerhand vom weltweiten Netzwerk abgeschnitten: Allein im vergangenen Jahr griffen verschiedene Regierungschefs des Kontinents elf Mal zu dieser Strafmaßnahme. In Kamerun wurde die im Westteil des Landes lebende englischsprachige Bevölkerungsminderheit mit Internet-Entzug bestraft, weil sie mehr Selbstbestimmung forderte. Uganda unterbrach wie Gambia, Gabun und der Tschad die Verbindung zu den sozialen Netzwerken während der Wahlen, damit die Opposition nicht gegen Unregelmäßigkeiten protestieren konnte.

Doch sorgt in ganz Afrika der Siegeszug der Mobiltelefone für überraschende Triumphe der Informations- und Meinungsfreiheit: Erstmals kann man sich selbst in der Provinz in Echtzeit über Ereignisse und Ideen in der Hauptstadt, im ganzen Land, auf dem Kontinent und in der Welt auf dem Laufenden halten. Die Protagonisten der neuen Technologie hatten nicht zu viel versprochen: Mit dem Handy lässt sich die korrekte Behandlung von Wahlstimmen überprüfen, Übergriffe von Polizisten filmen, von offizieller Seite unterschlagene Informationen verbreiten und ganz generell die auf Information und Kenntnissen basierende Mündigkeit der Bevölkerung steigern.

Kenias ICT-Sektor macht mittlerweile acht Prozent des Bruttoinlandprodukts aus und sorgt für 180.000 Arbeitsplätze. Die digitale Branche hat bereits 500 Millionen US-Dollar an Investitionen und zahlreiche Ausländer ins Land gelockt, die in der Digitalisierung den unaufhaltbaren wirtschaftlichen Aufbruch des Kontinents sehen.

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Afrika im Umbruch: Gastvortrag von Davis O. Nejo
Gastvortrag