Victor
Papanek: The Politics of Design
29.09.2018 - 10.03.2019 , Vitra Design Museum
17.09.2018
Auf Initiative von Alison J. Clarke, der Leiterin
der Victor J. Papanek Foundation an der Universität für angewandte Kunst Wien, kommt es in diesem Herbst zu einer
ersten großen Retrospektive über den ‚Designpapst‘ aus Wien, welche von Clarke und von Amelie Klein vom Vitra Design
Museum kuratiert wurde. In der Ausstellung sind etliche Exponate aus seinem Nachlass aus der Papanek-Foundation an
der Angewandten erstmals zu sehen.
Mit der Ausstellung »Victor Papanek: The Politics of
Design« präsentiert das Vitra Design Museum vom 29. September 2018 bis zum 10. März 2019 die erste große Retrospektive
über den Designer, Autor und Aktivist Victor J. Papanek (1923-1998). Papanek war seit den 1960er Jahren einer der wichtigsten
Vordenker eines sozial und ökologisch orientierten Designansatzes. Sein Schlüsselwerk »Design for the Real World« (1971) gilt
bis heute als das meistgelesene Buch über Design, das jemals veröffentlicht wurde. Papanek plädiert darin für Inklusion, soziale
Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit – Themen, die im heutigen Design aktueller denn je sind. Die Ausstellung umfasst hochkarätige,
teilweise nie gezeigte Exponate wie Zeichnungen, Objekte, Filmdokumente, Manuskripte und Druckgrafik. Ergänzend werden Werke
von Zeitgenossen Papaneks der 1960er bis 1980er Jahre gezeigt, darunter George Nelson, Richard Buckminster Fuller, Marshall
McLuhan oder der Radical-Design-Gruppe »Global Tools«. Zeitgenössische Werke aus den Bereichen des Critical Design und des
Social Design veranschaulichen Papaneks nachhaltigen Einfluss auf das heutige Design.
Victor Papanek floh 1939
vor der Verfolgung der Nationalsozialisten aus seiner österreichischen Heimat Wien in die USA. Nachdem er zunächst eine klassische
Laufbahn als Industriedesigner einschlug, entwickelte Papanek im Laufe der 1960er Jahre jene konsumkritische Haltung,
für die er international bekannt wurde. Diese spiegelte sich auch in seinen Entwürfen, die er oft gemeinsam mit seinen Studentenentwickelte,
darunter Fernseher und Radios für afrikanische Länder, Elektrofahrzeuge, aber auch das Objekt »Fingermajic« zur Stimulierung
des Tastsinns (1965-1970) oder die Serie der »Living Cubes« (1973) – Möbel zum Selberbauen, die der Benutzer je nach Bedarf
unterschiedlich ausstatten konnte.
Papaneks eigentliche Bedeutung lag jedoch in seiner Arbeit als Autor und Vermittler
eines neuen, kritischen Designverständnisses. Im Laufe seines Lebens unterrichtete Papanek an Universitäten in aller Welt
und inspirierte Generationen von Studierenden. Unermüdlich verfolgte er das Ziel, eine möglichst breite gesellschaftliche
Debatte über Design zu führen. So moderierte Papanek ab 1961 beispielsweise eine Sendereihe über Design, die in TV-Sendern
in den gesamten USA ausgestrahlt wurde. Neben seinem Hauptwerk »Design for the Real World«, das bis heute in über 20 Sprachen
übersetzt wurde, zementierten weitere Bücher Papaneks Ruf als Pionier des alternativen Designs, etwa »How Things Don’t Work«
(1977) oder »Design for Human Scale« (1983). Darin nahm Papanek in einer pointierten und humorvollen Sprache den blinden Konsumglauben
aufs Korn und übertrug die Ideen der 1968er Generation auf praktische Alltagsfragen vieler Menschen.
Die
Ausstellung »Victor Papanek: The Politics of Design« ist in vier Bereiche gegliedert, die Leben und Werk Papaneks ausführlich
vorstellen. Nach einer einleitenden, großformatigen Medieninstallation, die Papaneks Thesen in ihrem Zeitkontext präsentieren,
folgt eine biografische Übersicht, die Papaneks Leben von seiner Emigration aus Europa bis zu seinem internationalen Erfolg
nachzeichnet. Erstmals konnte dabei auf die Bestände des Papanek-Nachlasses
zurückgegriffen werden, der sich heute
in der Victor J. Papanek Fundation an der Universität für Angewandte Kunst in Wien befindet und viele bislang nie gezeigte
Dokumente umfasst. Darunter sind Notizbücher, Briefe, Möbel, Gegenstände aus Papaneks Sammlung ethnologischer Objekte sowie
über 12.000 Dias, die Papanek für seine Vorträge verwendete.
In zwei weiteren Ausstellungsbereichen werden die Hauptthemen
von Papaneks Werk betrachtet Dazu zählen Papaneks grundlegende Konsumkritik und seine Beschäftigung mit sozialen Minderheiten
ebenso wie sein Einsatz für die Belange der damals sogenannten »Dritten Welt«, für Ökologie und Nachhaltigkeit sowie für eine
Kultur des »Making«, der Kreation und Produktion mithilfe eigener Mittel, die ihren Ausgangspunkt in der Do-it-yourself-Bewegung
der 1960er Jahre hat. Hier ist eine Fülle an Entwürfen von Papanek und seinen Schülern zu sehen, darunter beispielsweise die
dänische Designerin Susanne Koefoed, die 1968 als Studentin von Papanek das erste internationale Symbol für Barrierefreiheit
(International Symbol of Access) entwickelte.
Ergänzt wird die Ausstellung um rund 20 sorgfältig ausgewählte zeitgenössische
Werke, die Papaneks Thesen ins 21. Jahrhundert holen. Sie stammen unter anderem von Catherine Sarah Young, Forensic Arcitecture,
Jim Chuchu, Tomás Saraceno, Gabriel Ann Maher oder dem brasilianischen Kollektiv Flui Coletivo. Auch diese Entwürfe handeln
von komplexen Themen wie dem globalen Klimawandel, fließender Geschlechteridentität, unserem Konsumverhalten oder der wirtschaftlichen
Realität von Migrationsbewegungen und zeigen so die anhaltende Relevanz der Fragen, denen sich Papanek schon in den 1960ern
widmete. Zugleich durchbrechen sie die weiße, westlich-männlich dominierte Welt, der Victor Papanek trotz all seiner Bemühungen
verhaftet war.
»Victor Papanek: The Politics of Design« ist damit eine Retrospektive und eine Themenausstellung zugleich.
Über die Person Papanek nähert sie sich einem größeren Thema, nämlich der Bedeutung von Design als politischem Werkzeug. Denn
was in Papaneks Zeit revolutionär war, gilt heute als allgemein anerkannt:
Design ist nicht nur Formgebung, es
ist ein Werkzeug für politischen Wandel und muss unter gesellschaftlich-ethischen Gesichtspunkten angewendet werden. Dies
zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sich heutige Debatten über Themen wie Social Design und Design Thinking ganz selbstverständlich
auf Papaneks Thesen beziehen. Die Ausstellung soll Papanek als Vorreiter dieser Debatten – und als einen der großen Vordenker
im Design – für das 21. Jahrhundert neu entdecken. Zugleich untersucht sie, wie das von Papanek geforderte, gesellschaftliche
engagierte Design unsere heutige Welt tatsächlich verändern und ein Stück besser machen könnte.
Die Ausstellung
entsteht in Kooperation mit der Victor J. Papanek Foundation an der Universität für angewandte Kunst Wien und dem Barcelona
Design Museum.