Texte
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TROERINNEN
Deutsch von Gerhild Steinbuch
Premiere am 19. Februar 2022, Burgtheater Wien (Regie: Adena Jacobs)
Die Schlacht ist geschlagen, aber der Krieg ist nicht vorbei. Troja ist gefallen, Rauchsäulen stehen über den Trümmern und
die siegreichen Griechen bereiten sich auf ihre Abfahrt vor. Die überlebenden trojanischen Frauen befinden sich vor der Stadt,
auf der Schwelle zwischen ihrem alten Leben als Staatselite und dem kommenden in der Sklaverei. Der denkbar schlimmste Verlust
und tiefste Fall ver- einen sich mit der größtmöglichen Ungewissheit. Hekabe, Königin Trojas, beklagt den Mord an ihrem Ehemann
Priamos und den Tod der meisten ihrer zahlreichen Kinder; wohin das Schicksal sie noch führen wird, weiß sie nicht. Mit ihr,
wartend, Hekabes überlebende Tochter Kassandra, die Seherin, der nicht geglaubt wurde, und ihre Schwiegertochter Andromache
mit ihrem kleinen Sohn Astyanax, letzter männlicher Erbe der Trojaner – sowie die Griechin Helena, die als Auslöserin des
Kriegs gebrandmarkt wird und nun auf ihr Urteil wartet.
Die trojanischen Frauen sind auf nichts als ihre Körper zurückgeworfen, ange- füllt mit Erinnerung, mit wütendem Schmerz,
versehrt, gezeichnet, klagend, mit einem Bein bei ihren Toten in der Unterwelt, mit dem anderen im Diesseits Halt suchend,
um ihren Peinigern die Augen herauszureißen. „Kein Unterschied mehr zwischen Zorn und Trauer“, heißt es bei Ovid über Hekabe.
Die australische Re- gisseurin Adena Jacobs stellt den gespenstischen Zwischenraum, den die Troerin- nen bewohnen, ins Zentrum
ihrer bilderreichen und schonungslosen Auseinan- dersetzung – und fragt darin ausdrücklich nach dem Schicksal weiblicher Körper
im Krieg, nach dem weiblichen Körper als Kampfplatz.
Die Wiener Dramatikerin Gerhild Steinbuch hat die Texte von Ovid, Seneca, Euri- pides und Jane M. Griffiths für diese Inszenierung
neu ins Deutsche übertragen.
„Trotzdem wirkt der Abend alles andere als lahm oder staubig. Das liegt einerseits daran, dass die neuen Übersetzungen von
Gerhild Steinbuch hundertprozentig heutig und klar klingen. Zum anderen spitzt die 40-jährige Regisseurin Euripides Interesse
an den Frauenschicksalen mehr als bloß feministisch zu: sie dringt durch Textverknappung auch psychologisch tiefer. Alles
ist Gefühl, direkt und konkret, nichts kalter Diskurs oder akademisch hochtrabende Theorie.“ (Der Standard, 24.04.2022)
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