Künstlerische Forschung


Weitere Informationen zu Projekten künstlerischer Forschung im Rahmen des PEEK-Programms des FWF finden Sie in der Projektübersicht:
Projekte künstlerischer Forschung


Thou Shalt Not Speak

Projektleiter: Erik Bünger
Zentrum Fokus Forschung
Laufzeit: 01.09.2021 - 31.08.2025
Austrian Science Fund (FWF): AR 688 Programm zur Entwicklung und Erschließung der Künste (PEEK)
Wie verhalten sich Voiceover und Bild zueinander? Verleiht ein Voiceover dem Bild eine Stimme? Hilft es dem Bild, etwas zu kommunizieren, was Bilder allein nicht kommunizieren können? Der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass Voiceover genau so funktioniert. Dieses künstlerische Forschungsprojekt geht einem Gedanken nach, der dem gesunden Menschenverstand entgegenläuft. Demnach funktioniert Voiceover nicht als dem Bild eine Stimme verleihend, sondern als Stimme versagend. Indem das Voiceover über einem Bild spricht, befiehlt es dem Bild zu schweigen.
 
Wie kann ein Voiceover vom Bild erzählen und im gleichen Atemzug das Bild zum Schweigen bringen? Um dies zu verstehen, muss untersucht werden, wie Bild und Wort gegeneinander abgewogen werden. Oft wird angenommen, dass Bilder eine höhere Form der Wahrheit vermitteln.
Einem populären Sprichwort zufolge sagen Bilder "mehr als tausend Worte". Was dieses Sprichwort andeutet, ist, dass Bilder ihre Wahrhaftigkeit dadurch erlangen, dass sie im direkten Gegensatz zur Sprache stehen. Gerade weil Bilder nicht sprechen, sollen sie so viel mehr sagen können. Es ist, als ob das Voiceover zum Bild sagen würde: 'Du sollst nicht sprechen und gerade deshalb sollst du tausendmal mehr sprechen!' Es ist, als ob das Voiceover die höhere Wahrheit, die von den Bildern gesprochen wird, nur hervorrufen könnte, indem es verlangt, dass die Bilder schweigen.
 
Grundlegende Idee des Projekts ist es zu untersuchen, ob es möglich ist, diese paradoxe Logik gegen das Voiceover einzusetzen. Wenn das Voiceover das Bild zum Schweigen bringt, kann dieses Schweigen auch in die andere Richtung, also gegen das Voiceover mobilisiert werden? Kann sie zu einem Sprachhindernis werden, das das Voiceover daran hindert, zu artikulieren, was das Bild bedeutet?
 
Das Projekt lädt ein Team von vier künstlerischen Forscher*innen dazu ein, diese Fragen in drei konsekutiven Kapiteln zu untersuchen: Tier, Bild und Stimme. Beginnend mit dem Fokus auf einen Körper, der vom Voiceover angesprochen wird (Tier), bewegt sich die Untersuchung weiter zu dem Medium, das einen solchen Körper enthält (Bild), um schließlich bei der eigentlichen Quelle des Voiceovers selbst (Stimme) zu landen. Durch schrittweises Heranzoomen an die minimalen Grundlagen, die Voiceover möglich machen, nähert sich die Untersuchung immer weiter der Quelle der Macht des Voiceovers.
 
Das Projekt untersucht, wie die Relation von Stimme und Bild ein Licht auf die allgemeinere Relation von Sprache und Welt werfen kann. Dabei ist es dem Forschungsteam wichtig, dass das Projekt nicht als das endet, was es kritisiert: eine einzelne Stimme, die autoritär über die Art und Weise spricht, wie Sprache unsere Wahrnehmung steuert. Das Projekt ist aus diesem Grund so angelegt, dass es die Reibung innerhalb der Forschungsgruppe aktiv fördert. Die Arbeit, die jeder und jede Forscher*in leistet, soll eine kritische Antwort auf die Arbeit der anderen im Team darstellen. Es geht nicht darum, gemeinsam Strategien dafür zu entwickeln, wie man der Autorität von Voiceover begegnen kann, sondern einen Modus des Einsatzes von Voiceover zu finden, der dieses Instrument fortlaufend destabilisiert.   

Hauptforscher: Erik Bünger
Ko-ForscherInnen: Cordula Daus, Manuel Saiz & Sophie Reyer

Fotocredit: The Big Swallow, James Williamson, 1901