Zur Performativität des Biofakts
Projektleiterin: Lucie Strecker
Institut
für Bildende und Mediale Kunst
Laufzeit: 01.02.2016 - 30.11.2020
Austrian Science Fund (FWF): V 501 Richter-Programm
(inkl. Richter-PEEK)
Seit dem 20. Jahrhundert prägen Theorien der Ökologie die Ausdrucksformen
und Reflexionen der performativen Kunst. Diese entwickelte ihre Trainings- und Arbeitssysteme, wie etwa Biomechanik, somatische
Tanztechniken oder psychologisch-realistische Schauspieltechniken kontinuierlich anhand der Auseinandersetzung mit Phänomenen
der Natur (Giannachi und Steward 2005).
Da die Life Sciences jedoch das, was wir unter Natur und Ökologie verstehen
grundlegend verändern und weil nach der Biologin und Philosophin Nicole C. Karafyllis die Aristotelische Abgrenzung von Natur
und Technik, die das Wachsende vom Nicht-wachsenden unterscheidet, nicht mehr gültig ist, will das hier vorgestellte Projekt
„Zur Performativität des Biofakts“ über dieses Verhältnis neu nachdenken und praktisch forschen.
Lebewesen gehören
heute nicht mehr vorbehaltlos zum Reich des Natürlichen, denn sie werden durch Methoden der Agrar- und Biotechnik maßgeblich
zu Künstlichem bzw. Technischem (vgl. Nicole Karafyllis).
Die Theorien des Neuen Materialismus und im speziellen
die Arbeit von Karen Barad, welche die etablierte Trennung zwischen Ontologie und Epistemologie in Frage stellt, eröffnen
uns neue Sichtweisen auf die Beziehung zwischen Materie und Performativität. Bisher wurde beides in Performancetheorie- und
Praxis nur ansatzweise berücksichtigt.
Dieses Projekt entwickelt eine neue experimentelle Anordnung. Sie soll dem
durch die molekularbiologischen und genetischen Techniken der Life Sciences veränderten Verhältnis zwischen Materie und Performativität
Rechnung tragen. In Form von künstlerischer Forschung wird provokativ eine Entität erzeugt, deren ontologischer Status zwischen
belebt und unbelebt changiert. Nicole C. Karafyllis schuf für solche Entitäten den Begriff des Biofakts. Wir fragen nun, auf
welche Geschichte die performative Erzeugung von Materie zurückgeht und wie technologische Erneuerungen in der Zukunft unser
Verständnis von Ökologie und Kunst verändern werden. Dies geschieht unter Einbezug historischer, kulturrelevanter Relikte.
Aus deren biologisch-tierlicher Materie werden neue Biofakte geschaffen. Somit tritt in die Interaktion zwischen Mensch und
Technik auch die Figur des Tieres. Dieser Vorgang verhindert eine allein anthropozentrische Sicht auf den Prozess und zwingt
zu neuen kreativen Lösungen. Denn die Herausforderung besteht darin, das Tier nicht zu anthropomorphisieren, sondern aus seiner
passiven Position des ausgebeuteten „Anderen“ zu befreien.
Gemeinsam mit ForscherInnen aus dem Bereich der Life
Sciences soll eine Experimentalanordnung entwickelt werden, bei der Methoden der Archäologie, der Performance, der Molekularbiologie
und Genetik in Austausch treten. Durch das Konzept der performativen Erzeugung von Materie im modellierten Versuch entstehen
neue Handlungs- und Empfindungsräume. So lässt sich das im Wandel begriffene Verhältnis zwischen Ökologie und Kunst
weiter erforschen.