„Die Hälfte unserer
Politik spielt sich in Wissenschaft und Technik ab. Die andere Hälfte der Natur spielt sich in der Gesellschaft ab. Setzen
wir diese beiden Hälften zusammen, und es gibt wieder eine politische Aufgabe!“ Bruno Latour
Am
Institut für Kunst und Gesellschaft finden sich die Abteilungen
Kunst und Wissenstransfer
(1987)
Social Design (2012)
Cross-Disciplinary Strategies (2017)
International Programmes in
Sustainable Developments (2019)
Artistic Strategies (2020)
Experimental Game Cultures (2021)
Die
Angewandte folgt mit der kontinuierlichen Reflexion und Entwicklung eines inter- und transdisziplinären Bildungsbegriffs ihrem
Gründungsgedanken und stellt sich damit den aktuellen Herausforderungen der Wissensproduktion.
Bildungs- und
Geschlechterungerechtigkeit, fehlgeleitete Ökonomisierung, eindimensionale Spezialisierung sowie die Beschränkungen des Erfahrungswissens,
die sich durch die Trennung von Intellekt und Körper ergeben, beschreiben nur einige der Problemfelder, die es zu bearbeiten
gilt.
Um die transformative Kraft der Bildung zur Wirkung zu bringen, ist es unerlässlich, sich
mit den spezifischen Voraussetzungen und Fragen der Gesellschaft, und mehr noch mit der Konstitution von Gesellschaft zu beschäftigen.
Der
Gesellschaftsbegriff, der seit der Aufklärung von der Dynamik von Ordnung und Unterscheidung geprägt ist, unterliegt einer
steten Transformation. Wenn Bruno Latour am Beginn der 90er Jahre ausruft: ‚Wir sind nie modern gewesen’ hebt er auf die Vorstellung
einer Gesellschaft ab, die von der Dichotomie von Natur und Kultur ausgeht und in dem Bestreben nach Autonomie und Differenz
Handlungsbereiche aus übergreifenden gesellschaftlichen Bezügen herausgelöst hat. Latour hingegen spricht von Hybriden, sozialen
Akteuren, nicht-sozialen Wesen und Objekten als einem realen Netzwerk, das er als Gesellschaft begreift. Vielfältige Beziehungen
zwischen Menschen und Dingen, so Latour, brächten mittels komplexer Verknüpfungen einen neuen Modus der Vergesellschaftung
hervor, ein Netzwerk, das nicht systematisch oder territorial eingrenzbar ist.
Der Kunst kommt
sowohl bei der Befragung wie der Konstituierung von Gesellschaft eine besondere Rolle zu. Die Abteilung Kunst und
Wissenstransfer wurde 1987 gegründet, um der beschriebenen Kultur der Dichotomie und Spezialisierung entgegenzuwirken.
Der Gedanke des Transfers geht von Strategien der Übersetzung und Vermittlung aus, wodurch ein Denken angestoßen werden soll,
das mehr noch als es Disziplinen miteinander zu verknüpfen weiß, durch unterschiedliche Disziplinen hindurch wirkt.
Ort
wie Inhalt der Forschungen in der Abteilung Social Design – Arts as Urban Innovation sind Theorien und Praxisformen
der Stadt. Mit künstlerischen Methoden im urbanen Kontext hat sich dieses neue Masterprogramm das Hybride schlechthin zum
Thema gesetzt. Die Interaktion von Theorie, Bildender Kunst, Design, Urban Studies und Architektur provoziert neue Formen
der Wissensproduktion, eröffnet auch unerprobte Handlungsfelder im Kontext städtischer Räume, urbaner Lebensweisen, stadtgebundener
Konflikte wie Freiheiten. Der Studienplan des seit Winter 2012 bestehenden Masterprogramms bietet den produktiven Rahmen,
in interdisziplinären Teams neue Projekte zu entwickeln, die in die Realität reichen und externe Kooperationen ermöglichen
und befördern.
Mit Cross-Disciplinary Strategies wurde erstmals ein Bachelor-Studium
entwickelt, das die Grenzen zwischen Wissenschaft, Philosophie und Kunst strukturell überschreitet, und die wechselseitigen
Bezüge der Wissensformen in den Fokus stellt. Dem verbreiteten Paradigma der Spezialisierung fügt das Studium einen generalisierenden
Ansatz hinzu, um Interdisziplinarität zu generieren und produktiv zu machen. Das englischsprachige Studium baut auf den Säulen
‚Science and Technology’, ‚Politics and Economics’ und ‚Artistic Strategies’ auf und nimmt dabei globale Entwicklungen stets
in ihrer gesellschaftspolitischen Bedingtheit in den Blick.
Im WS 2021/22 startet das Masterstudienprogramm von
Cross-Disciplinary Strategies, das sich als Vertiefungs- und Komplementärstudium an Absolvent*innen aller Disziplinen richtet.
Die methodische Verknüpfung unterschiedlicher Disziplinen soll Studierenden zu einem informierten Herangehen an Fragen des
gesellschaftlichen Wandels, an digitale Technologien und politische Entwicklungen befähigen, um gesellschaftliche Transformationen
zu verstehen und mit ihren eigenen Themensetzungen mitzugestalten.
In Fortsetzung
und Erweiterung der Cross-Disciplinary Strategies hat die Universität für angewandte Kunst im Jahr 2019 die Abteilung International
Programmes in Sustainable Developments als Drehscheibe für innovative, internationale Studiengänge eingerichtet,
welche auf eine fächerübergreifende und interdisziplinäre Ausbildung setzen, um auf inhaltlicher und struktureller Ebene den
aktuellen Anforderungen an eine zukunftsorientierte Hochschulausbildung gerecht zu werden. Die Masterprogramme sollen den
Studierenden jene Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln, welche unverzichtbare Grundlage für die inter- und
transdisziplinäre Auseinandersetzung mit den Grand Global Challenges sind: künstlerische, kreative, und ästhetische Strategien
für lösungsorientierte Zugänge zu allen gesellschaftlichen Bereichen; Kommunikations- und Reflexionskompetenzen für die Arbeit
in inter- und transkulturellen, multidisziplinären Teams; praktisches und theoretisches, cross-disziplinäres Wissens und Know-how.
Ein inhaltlicher Schwerpunkt liegt auf der starken Berücksichtigung der Sustainable Development Goals der UN Agenda 2030 –
vor allem das Ziel nachhaltiger, hochwertiger Bildung für alle (SDG 4). Seit 2020 wird an der Abteilung das Double Degree-Masterstudium
Global Challenges + Sustainable Developments in Kooperation mit der Tongji University in Shanghai durchgeführt.
Die
Implementierung von transdisziplinären Studiengängen an einer Kunstuniversität zieht nicht zuletzt die Reflexion der eigenen
Disziplin - der Kunst - nach sich.
Die 2020 geschaffene Abteilung Artistic Strategies
erweitert das Angebot der künstlerischen Abteilungen der Angewandten, indem sie Lehrveranstaltungen zu Theorie und Praxis
anbietet, in deren Mittelpunkt Fragen zu künstlerischen Methoden in Bezug auf soziale Dynamiken und globale Herausforderungen
stehen.
Dabei geht es darum, Methoden von Künstler*innen zu untersuchen, die innovative Ansätze definieren, um auf
die komplexen Kontexte, in denen Kunstwerke produziert und präsentiert werden, zu reagieren und darüber zu reflektieren.
Die
Berücksichtigung historischer, kultureller, intellektueller, sozialer und politischer Kontexte stützt sich auf einen interdisziplinären
und transversalen Ansatz, der eine große Vielfalt an Kunstpraktiken, Medien und Wissensgebieten umfasst. Die Lehre von Artistic
Strategies konzentriert sich darauf, wie Künstler*innen mit ihrer Arbeit und ihren Methoden innovative Tools einsetzen, um
potenzielle neue Formen von sozialen Beziehungen und Gemeinschaften, Subjektivitäten, Wissensproduktion und -verbreitung sowie
neue Formen der Wahrnehmung und des Verständnisses der Herausforderungen unserer Zeit zu schaffen.
Digitale
Technologien durchdringen längst alle Lebensbereiche. Das Spiel nimmt dabei eine besondere Stellung ein – die Grenzen zwischen
Fiktion und Realität, zwischen Arbeit und Spiel, zwischen Kommunikation und Isolation sind fließend.
Das Studium
Experimental Game Cultures zielt auf eine kritische Reflexion der gesellschaftlichen Wirkungsmacht von Spielen
unter gleichzeitiger Anwendung auf die prototypische Entwicklung innovativer Spielkonzepte und -zugänge. Zentraler Aspekt
des Studiums ist daher die Verschränkung der Entwicklung von innovativen Spielkonzepten jenseits der kommerziellen Spieleindustrie
mit einer kritischen Betrachtung von Spielen in ihren unterschiedlichen historischen, gesellschaftlichen und sozialen Kontexten.
Forschungsbereiche des Studiums sind u.a. der Einsatz von Spielen als Instrument zum besseren Verständnis gesellschaftlicher,
wirtschaftlicher und politischer Zusammenhänge und zur demokratischen Gestaltung ihrer Zukunft.
Seit
2019 ist die Universität für Angewandte Kunst Wien Teil von UniNEtZ, einem Zusammenschluss von 18 österreichischen Universitäten,
die gemeinsam in einem Optionenbericht an den von den Vereinten Nationen verabschiedeten Sustainable Development Goals arbeiten,
der 2021 an die Österreichische Regierung übergeben wird. Die Universität für angewandte Kunst hat die Leitung für das SDG
8 – Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum übernommen und arbeitet unter der Losung Bildung ist die neue Arbeit.
Arbeit ist die neue Bildung in Lehre, Forschung und Vermittlung zu den Unterzielen des SDG 8.
Die
räumliche Zusammenführung der Abteilungen des Instituts für Kunst und Gesellschaft in der ehemaligen Postsparkasse, die von
Ottos Wagners Architektur geprägt ist, erlaubt einen intensiven Austausch zwischen den Abteilungen mit zahlreichen Kooperationen
von Lehrenden und Studierenden.
Die Verortung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und eines Ablegers
der Johannes Kepler Universität Linz im selben Gebäude bieten einmal mehr zahlreiche Möglichkeiten, disziplinenübergreifend
zu lehren, forschen, diskutieren und vermitteln.